Klimaneutraler zirkulärer Beton durch Zementrecycling und Karbonatisierung

5. November 2025

Pilotanlage zur Herstellung von NT-Belitzement, KIT

Was ist das Problem, mit dem ihr euch befasst? Worin besteht die Nachhaltigkeitsherausforderung?

Beton, ein Verbundmaterial aus erhärtetem Zement und Zuschlägen, fällt nach der Nutzung als Abbruchbeton an. Dieser wird heute entweder noch auf der Baustelle oder in stationären Anlagen aufbereitet. Durch Brechen werden rezyklierte Gesteinskörnungen erzeugt, die natürliche Gesteinskörnung insbesondere im Straßen- und Wegebau ersetzen. Eine Kreislaufführung als Gesteinskörnung in Recycling-Beton (R-Beton) ist nur sehr begrenzt möglich, da die Rezyklate im Vergleich zu natürlichen Gesteinskörnungen meist inhomogen sind, eine insbesondere aus dem Zementstein stammende hohe Porosität aufweisen, Fremdmaterial enthalten bzw. zum Teil mit Chlorid aus Streusalz oder Sulfaten belastet sind. Ein Recycling von Zement ist bisher nicht möglich. Der eingesetzte Zement ist für den Löwenanteil des CO2-Fußabdrucks von Beton verantwortlich. Daher werden bei der Herstellung von R-Beton die verbundenen CO2-Emissionen nicht gesenkt. Zudem fallen bei der Aufbereitung von Abfallbeton neben der gewünschten Rezyklate auch Brechsande < 2mm an, die schwer verwertbar sind und einen erhöhten Zementanteil aufweisen. Ein Teil des Abfallbetons wird deponiert.

Dr. Peter Stemmermann Leiter Technische Mineralogie, KIT

Eine ökonomisch umsetzbare Kreislaufwirtschaft für Beton ist zur Schonung von Umwelt und Ressourcen sowie zum Klimaschutz essentiell.

Dr. Peter Stemmermann

Leiter Technische Mineralogie, KIT

Was ist euer Lösungsansatz / die Innovation?

Ein am KIT entwickeltes Konzept für klimaneutralen zirkulären Beton beginnt mit konventionellem Betonrecycling. Aus schwer verwertbarem Brechsand, natürlichem Kalk sowie ggf. weiteren schwer rezyklierbaren Abfällen wie Porenbeton wird ein Rohmehl hergestellt und in einem neu entwickelten Prozess bei niedrigen Temperaturen bis 1000 Grad zu einem Zementklinker, dem sogenannten Niedertemperatur-Belitklinker (NT-Belitklinker) gebrannt. Die Prozessemissionen der Klinkerherstellung werden dabei um ca. 30% reduziert. Bei Einsatz eines mit Strom aus erneuerbaren Quellen beheizten Ofens kann die Gesamtemission der Klinkerherstellung um mehr als 50% verringert werden. CO2 fällt prozessbedingt hochkonzentriert an. Es wird zwischengespeichert und zur Karbonatisierung der rezyklierten Gesteinskörnung genutzt. NT-Belitklinker wird anschließend zu Kreislaufzement vermahlen. Aus diesem Zement und karbonatisierter Gesteinskörnung wird schließlich erneut Beton – Kreislaufbeton – hergestellt. Die Kreislaufführung ist auch mehrfach möglich.

Der Prozess zur Herstellung von NT-Belitklinker wird in einer 2024 eingeweihten und vom Land Baden-Württemberg geförderten Pilotanlage weiterentwickelt. Der Einsatz von NT-Belitklinker aus Altbeton zur Produktion von Betonfertigteilen und Betonwaren wird derzeit in einem Werkversuch im durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt URBAN demonstriert. Ein aus Porenbetonabfällen hergestellter Klinker wurde im Großversuch erfolgreich zur Herstellung von neuem Porenbeton eingesetzt.

Was ist der Impact?

Marktverfügbare Technologien zur Karbonatisierung von rezyklierten Gesteinskörnungen aus Altbeton erzielen Karbonatisierungsgrade bis 20%. Werden diese zur Herstellung von Kreislaufbeton eingesetzt, verbleiben bilanziell in etwa 25 kg CO2 pro t Beton, die nicht gebunden werden können. In unseren Labors werden daher auch Karbonatisierungstechnologien für rezyklierte, insbesondere grobe Gesteinskörnung weiterentwickelt. Dabei wurden bereits Karbonatisierungsgrade von 70% erreicht, die einen vollständig CO2 freien Kreislaufbeton ermöglichen.

Das Konzept des Kreislaufbetons und insbesondere die Herstellung von NT-Belitklinker benötigen für den wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen große Mengen Brechsand, der ökonomisch nur über kurze Strecken transportiert werden kann. Ein Ballungsraum mit einem Radius von ca. 20-30 km, in dem ca. 1 Mio. Menschen wohnen, könnte heute Brechsand für eine „kleine“ Zementanlagen mit einer Klinkerkapazität von 50.000 Tonnen pro Jahr liefern. NT-Belitklinker kann auch in Großanlagen hergestellt werden. Allerdings würde dann wegen hoher Transportkosten nur ein kleiner Teil der verwendeten Rohstoffe aus Altbeton stammen.

  • Pilotanlage zur Herstellung von NT-Belitzement, KIT

Weitere Infos auf der Website vom KIT

Siegfried Fiedler IZB

Beitrag von Siegfried Fiedler

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